„Leuchtende Tage, nicht weinen, dass sie vorüber – sondern lächeln, dass sie gewesen sind“
Konfuzius
Wie nimmt man von einem Menschen Abschied?
Man kann Lebensläufe erzählen, von wann bis wann jemand zur Schule gegangen ist, welche Hobbies er hatte und was man sonst noch so in einem klassischen Lebenslauf finden kann, man kann vorlesen aus den zahlreichen Artikeln über Jutta und ihre Tenniskarriere – und hat doch nichts über einen Menschen gesagt.
Jutta hat es im Tennis so gehalten: Sie hat die Menschen analysiert, Schwächen herausgefunden und dann Nervenstärke bewiesen: „Ich beobachte meinen Gegner sehr genau, um frühzeitig seine Schwachpunkte herauszufinden...“, sagte sie.
"Du kannst nicht gut Tennis spielen, ohne ein guter Denker zu sein. Du gewinnst oder verlierst das Spiel, bevor du überhaupt rausgehst.“ Serena Williams

Jutta Apel im Match
„Wenn man etwas in seinem Leben am besten kann, will man das nicht mehr aufgeben – für mich ist es das Tennis.“ Roger Federer
Auch wenn Jutta es ein Leben lang liebte, sich zu messen: Das soll nicht unser Auftrag sein.
Heinrich Heine hat einmal gesagt: „Unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte."
Unter jedem Grabstein eine ganze Welt. Denn jeder einzelne Mensch ist schon eine Welt, die mit ihm geboren wird und mit ihm stirbt.
Bei wohl wenig Lebensgeschichten trifft das so sehr zu wie bei bei der von Jutta.
Am 2. Mai 1926 geboren, vor nahezu einem ganzen Jahrhundert – da ist viel Geschichte. Da ist die große Weltgeschichte draußen, auf die wir kaum Einfluss haben. Und dann ist da die kleine private Geschichte, die wir gemeinhin „Lebensweg“ nennen.
Juttas Leben begann als Tochter von Friedel, einer Damenschneiderin und Willy, der Oberingenieur bei Krupp-Gruson war. Nach ein paar Umwegen fand die Familie über Sudenburg den Weg in die Paul-Schreiber-Straße, wo Jutta ein Leben lang – mehr als 70 Jahre – gewohnt hat.
Am Lyzeum „Viktoriaschule“ in der Hegelstraße legte sie, gerade 18 Jahre alt, das Abitur ab. Eine vielversprechende Zukunft lag vor ihr – doch es war Krieg. Das bedeutete für sie: Arbeitsdienst, Kriegshilfsdienst – insgesamt sicherlich keine leichte Zeit.
1944 wurde Juttas Bruder Wilfried geboren, während Bomben auf die Stadt fielen, die Familie wurde evakuiert, bis auf den Vater – der durfte wegen der Fabrik nicht hinaus aus der Stadt.
Zum Glück ging der Krieg vorbei, ohne dass die Familie Schaden nahm. Nur das einstige Domizil in der Halberstädter Straße wurde durch eine Bombe vollständig zerstört.
Juttas Leben begann als Tochter von Friedel, einer Damenschneiderin und Willy, der Oberingenieur bei Krupp-Gruson war. Nach ein paar Umwegen fand die Familie über Sudenburg den Weg in die Paul-Schreiber-Straße, wo Jutta ein Leben lang – mehr als 70 Jahre – gewohnt hat.
Am Lyzeum „Viktoriaschule“ in der Hegelstraße legte sie, gerade 18 Jahre alt, das Abitur ab. Eine vielversprechende Zukunft lag vor ihr – doch es war Krieg. Das bedeutete für sie: Arbeitsdienst, Kriegshilfsdienst – insgesamt sicherlich keine leichte Zeit.
1944 wurde Juttas Bruder Wilfried geboren, während Bomben auf die Stadt fielen, die Familie wurde evakuiert, bis auf den Vater – der durfte wegen der Fabrik nicht hinaus aus der Stadt.
Zum Glück ging der Krieg vorbei, ohne dass die Familie Schaden nahm. Nur das einstige Domizil in der Halberstädter Straße wurde durch eine Bombe vollständig zerstört.

Jutta Apel mit ihren Eltern Friedel & Willy Hagedorn in den 1930er Jahren
Jutta begann mit der Ausbildung zur Volkslehrerin in einem Kurs in Halle. Dort lernte sie nicht nur, wie man Lehrerin wird, sondern vor allem auch Karl-Heinz kennen, auch er entschied sich nach seiner Ausbildung zum Kaufmann dafür, Volkslehrer zu werden.
Die beiden verlobten sich und am 10. Juni 1949 wurde geheiratet. Das junge Paar zog in das Haus in der Paul-Schreiber-Straße.
Bereits 1948 hat Jutta ihre erste Klasse übernommen: Mathe und Deutsch unterrichtete sie, und nicht nur der Dr. Ferchland erinnert sich bestimmt noch an die strenge Frau Apel.
Die beiden verlobten sich und am 10. Juni 1949 wurde geheiratet. Das junge Paar zog in das Haus in der Paul-Schreiber-Straße.
Bereits 1948 hat Jutta ihre erste Klasse übernommen: Mathe und Deutsch unterrichtete sie, und nicht nur der Dr. Ferchland erinnert sich bestimmt noch an die strenge Frau Apel.
Wie alles im Leben erfüllte Jutta diese Aufgabe mit Ehrgeiz und Bravour: Bald schon sollte sie Führungsaufgaben in der Rosa-Luxemburg-Schule übernehmen.
Aber auch die Beziehung zu ihren Schülern aus dieser Zeit hielt ein Leben lang: Noch vorvergangenes Jahr gab es ein Klassentreffen, das für alle Beteiligten eine wundervolle Reise in die Vergangenheit war.
Jutta wurde stellvertretende Direktorin, später Direktorin – dank ihrer Leidenschaft für den Lehrerberuf schließlich sogar Oberstudienrätin, ein Umstand, auf den sie sehr stolz war.
Vormittags Schule, Nachmittags Tennisplatz: So sah das Leben aus. Es verging kein Wochenende, an dem kein Spiel war.
Der Tennisplatz war ihre Welt, bis ins hohe Alter: Mit 89 Jahren wurde sie zum letzten Mal Europameisterin, sie war vierfache Weltmeisterin, und erst mit 93 Jahren hat Jutta Apel ihre Tenniskarriere beendet. Unfreiwillig: Am liebsten hätte sie bis zum Schluss auf dem Platz gestanden – es kam nur leider der Oberschenkelhalsbruch dazwischen.
Vormittags Schule, Nachmittags Tennisplatz: So sah das Leben aus. Es verging kein Wochenende, an dem kein Spiel war.
Der Tennisplatz war ihre Welt, bis ins hohe Alter: Mit 89 Jahren wurde sie zum letzten Mal Europameisterin, sie war vierfache Weltmeisterin, und erst mit 93 Jahren hat Jutta Apel ihre Tenniskarriere beendet. Unfreiwillig: Am liebsten hätte sie bis zum Schluss auf dem Platz gestanden – es kam nur leider der Oberschenkelhalsbruch dazwischen.
„Der Tennisball weiß nicht, wie alt ich bin. Der Ball weiß nicht, ob ich ein Mann oder eine Frau bin oder ob ich aus einem kommunistischen Land komme oder nicht. Der Sport hat diese Barrieren schon immer überwunden.“ Martina Navratilova
"Manchmal wünschte ich, ich hätte etwas entspannter sein können, aber dann wäre ich nicht dieselbe Spielerin gewesen.“ Steffi Graf
Man kann Lebensgeschichten schön aus Orten heraus erzählen:
Bei Jutta wäre das die ganze Welt. Nach 1990 reiste sie zu unzähligen internationalen Turnieren.
Der einzige Ort, der ihr sonst noch einen vergleichbaren „Kick“ verschaffte, war höchstens die Pferderennbahn, jeden Samstag ging es raus in den Herrenkrug – aber es war ein Spaß ohne hohe Einsätze!
Zu den wichtigen Orten gehörte aber eben auch der Balkon in der Paul-Schreiber-Straße. Denn Jutta wurde ja auch Mutter. 1962 wurde Corinna geboren. Gemeinsam in Familie wurden viele schöne Sommer- und Winterurlaube im In- und Ausland verbracht.
Bei Jutta wäre das die ganze Welt. Nach 1990 reiste sie zu unzähligen internationalen Turnieren.
Der einzige Ort, der ihr sonst noch einen vergleichbaren „Kick“ verschaffte, war höchstens die Pferderennbahn, jeden Samstag ging es raus in den Herrenkrug – aber es war ein Spaß ohne hohe Einsätze!
Zu den wichtigen Orten gehörte aber eben auch der Balkon in der Paul-Schreiber-Straße. Denn Jutta wurde ja auch Mutter. 1962 wurde Corinna geboren. Gemeinsam in Familie wurden viele schöne Sommer- und Winterurlaube im In- und Ausland verbracht.

Jutta Apel Ende der 40er Jahre auf der Gartentreppe zum Eingang des Hauses in der Paul-Schreiber-Straße
Es gibt viele schöne Erinnerungen an eine glückliche Kindheit. Karl-Heinz hat seine Ehefrau Jutta sehr geliebt, und nicht minder seine Tochter: Wo Jutta streng war, war er liebevoller Hafen.
Schon als kleines Mädchen flitzte die kleine Corinna über den Platz mit der Holzkelle in der Hand, machte sich als Ballmädchen nützlich und schaute sich das Spiel ab, obwohl sie eigentlich in der Leichtathletik-AG trainierte.
„Spiel, Corinna, so gut, wie du kannst!“ sagte Jutta, das war ihre immer währende Forderung, egal ob beim Elternturnier auf dem Weißen Hirsch in Dresden oder beim Match in Binz auf Rügen: Auch dies eine bleibende Erinnerung an das eine Mal, als die Tochter einen Sieg über die Mutter erringen konnte.
Schon als kleines Mädchen flitzte die kleine Corinna über den Platz mit der Holzkelle in der Hand, machte sich als Ballmädchen nützlich und schaute sich das Spiel ab, obwohl sie eigentlich in der Leichtathletik-AG trainierte.
„Spiel, Corinna, so gut, wie du kannst!“ sagte Jutta, das war ihre immer währende Forderung, egal ob beim Elternturnier auf dem Weißen Hirsch in Dresden oder beim Match in Binz auf Rügen: Auch dies eine bleibende Erinnerung an das eine Mal, als die Tochter einen Sieg über die Mutter erringen konnte.

Juttas Tochter Corinna als kleines Mädchen
So war Jutta: Fordernd, ehrgeizig – nicht nur mit der Tochter, auch mit den Enkelinnen.
Und doch war sie dabei auch fröhlich!
Man hört noch ihr Lachen bei den Programmen zum runden Geburtstag oder ihre Stimme, wenn sie Selbstverfasstes zum Besten gab, die eine oder Anekdoten erzählte. Das konnte sie gut, sie war schlau, sehr belesen und verfügte über einen wachen Geist. Seltener hörte man ein „Danke“, ein Lob, ein „hast du gut gemacht“ - so etwas fiel ihr schwer.
Und doch war Jutta sehr stolz: Auf ihre Tochter Dr. Corinna Stahn und nicht zuletzt auf ihre Enkelinnen, die als Volljuristin am Potsdamer Platz und in der medizinischen Forschung an der Charité ganz in Juttas Sinne ihr Leben gestalten.
Von Juttas reichem Leben zeugen all die Bücher, die Erinnerungen, die Alben und nicht zuletzt ihre Notizbücher, randvoll mit ihren Gedanken. Jutta hatte immer klare Vorstellungen davon, was man besser machen kann – egal, ob es um die Taktung der MVB-Fahrtzeiten ging oder die Frage danach, wie ostdeutsche Sportler in der „Hall of Fame“ des deutschen Sports besser repräsentiert werden können.
Und doch war sie dabei auch fröhlich!
Man hört noch ihr Lachen bei den Programmen zum runden Geburtstag oder ihre Stimme, wenn sie Selbstverfasstes zum Besten gab, die eine oder Anekdoten erzählte. Das konnte sie gut, sie war schlau, sehr belesen und verfügte über einen wachen Geist. Seltener hörte man ein „Danke“, ein Lob, ein „hast du gut gemacht“ - so etwas fiel ihr schwer.
Und doch war Jutta sehr stolz: Auf ihre Tochter Dr. Corinna Stahn und nicht zuletzt auf ihre Enkelinnen, die als Volljuristin am Potsdamer Platz und in der medizinischen Forschung an der Charité ganz in Juttas Sinne ihr Leben gestalten.
Von Juttas reichem Leben zeugen all die Bücher, die Erinnerungen, die Alben und nicht zuletzt ihre Notizbücher, randvoll mit ihren Gedanken. Jutta hatte immer klare Vorstellungen davon, was man besser machen kann – egal, ob es um die Taktung der MVB-Fahrtzeiten ging oder die Frage danach, wie ostdeutsche Sportler in der „Hall of Fame“ des deutschen Sports besser repräsentiert werden können.
„Ich bin eine Perfektionistin. Ich bin ziemlich unersättlich. Ich habe das Gefühl, es gibt so viele Dinge, die ich verbessern kann.“ Serena Williams
„Gewinnen ist eine Art, sich auszudrücken.“ Boris Becker
Ein Leben wird ganz wesentlich ausgemacht durch Momente, die sich aneinanderreihen wie Perlen auf einer Kette.
Es gibt große Momente wie den, als Jutta Apel 2019 von Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper für ihre Leistungen im Sport und ihr Lebenswerk geehrt wurde.
Es gibt die vermeintlich kleinen Augenblicke:
Musizieren an Weihnachten im Quartett, der Opa mit der Geige, der Vater am Klavier, Jutta mit der Flöte und Corinna sang.
Bridge spielen im PIK ASZ, Jutta eingemummelt in ihre Strickjacken und Decken, weil wieder jemand ungefragt das Fenster aufgerissen hatte, oder beim Kartenspielen mit den Enkelinnen.
Es gab Augenblicke, da scheuchte sie die ganze Mädels-Gang über den Ku'Damm, wenn bei einem Bummel wieder alle ordentlich auf Trab gehalten werden mussten. Nicht anders in Magdeburg beim Herumschauen am Alten Markt, Baumkuchen und Fisch einkaufen, Staunen über die Stadt und ihre Veränderungen.
Es gibt große Momente wie den, als Jutta Apel 2019 von Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper für ihre Leistungen im Sport und ihr Lebenswerk geehrt wurde.
Es gibt die vermeintlich kleinen Augenblicke:
Musizieren an Weihnachten im Quartett, der Opa mit der Geige, der Vater am Klavier, Jutta mit der Flöte und Corinna sang.
Bridge spielen im PIK ASZ, Jutta eingemummelt in ihre Strickjacken und Decken, weil wieder jemand ungefragt das Fenster aufgerissen hatte, oder beim Kartenspielen mit den Enkelinnen.
Es gab Augenblicke, da scheuchte sie die ganze Mädels-Gang über den Ku'Damm, wenn bei einem Bummel wieder alle ordentlich auf Trab gehalten werden mussten. Nicht anders in Magdeburg beim Herumschauen am Alten Markt, Baumkuchen und Fisch einkaufen, Staunen über die Stadt und ihre Veränderungen.

Jutta Apel (3.v.r.) mit ihrer Tochter Dr. Corinna Stahn (2.v.r.) mit OB Dr. Lutz Trümper bei der Ehrung
Jutta Apel hat ein gutes Leben gelebt. Und doch war nicht alles Sonnenschein, es gab auch Schatten. Nicht jeder Wunsch hat sich erfüllt, nicht jeder Traum wurde wahr.
Es gab Verluste – wie der ihres Sohnes Ralf Thomas, der als Säugling verstarb, der ihrer geliebten Eltern, der ihres Mannes und nicht zuletzt der ihrer guten Freundin Eva. Je älter man wird, desto mehr Abschiede muss man ertragen.
Für Jutta war das Leben nur sinnvoll, solange sie es selbstbestimmt leben konnte. Genau so hat sie es gehalten. Bis zur letzten Minute stand sie im Leben.
Mit ihr musste man immer um alles ringen, und auch dem Tod hat sie es sicher nicht leicht gemacht. Doch der Tod kann auch freundlich kommen zu Menschen die alt sind, deren Hand nicht mehr festhalten will, deren Augen müde werden, deren Stimme nun sagt: Es ist genug. Das Leben ist schön.
Am frühen Abend des 17. Oktober 2020 ist Frau Jutta Apel für immer friedlich eingeschlafen.
Sie war eine zielstrebige, starke, energische und selbstbewusste Frau. Sie hat es sich und den anderen nicht immer leicht gemacht – und doch das Leben vieler Menschen reicher.
Sie war Trümmerfrau, Lehrerin, Tennisspielerin – eine Grande Dame.
Sie wird fehlen.
Es gab Verluste – wie der ihres Sohnes Ralf Thomas, der als Säugling verstarb, der ihrer geliebten Eltern, der ihres Mannes und nicht zuletzt der ihrer guten Freundin Eva. Je älter man wird, desto mehr Abschiede muss man ertragen.
Für Jutta war das Leben nur sinnvoll, solange sie es selbstbestimmt leben konnte. Genau so hat sie es gehalten. Bis zur letzten Minute stand sie im Leben.
Mit ihr musste man immer um alles ringen, und auch dem Tod hat sie es sicher nicht leicht gemacht. Doch der Tod kann auch freundlich kommen zu Menschen die alt sind, deren Hand nicht mehr festhalten will, deren Augen müde werden, deren Stimme nun sagt: Es ist genug. Das Leben ist schön.
Am frühen Abend des 17. Oktober 2020 ist Frau Jutta Apel für immer friedlich eingeschlafen.
Sie war eine zielstrebige, starke, energische und selbstbewusste Frau. Sie hat es sich und den anderen nicht immer leicht gemacht – und doch das Leben vieler Menschen reicher.
Sie war Trümmerfrau, Lehrerin, Tennisspielerin – eine Grande Dame.
Sie wird fehlen.

Jutta Apel bei der Hochzeit ihrer Enkelin
Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Dr. Corinna Stahn.